Samstag, 24. Januar 2009
 
Paraguay: Deutsche vertreiben Landlose PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Dienstag, 20. November 2007

Großgrundbesitz gilt in Lateinamerika als Erbe spanischer Fremdherrschaft. Doch er wird auch von Berliner Diplomaten verteidigt.

Deutsche Kolonien

Es sollte der lange ersehnte Neuanfang werden. Vor zehn Jahren, 1997, bezogen rund 120 Landlosenfamilien im Südosten Paraguays neue Quartiere. Die Not trieb sie dazu. Auf nur acht Quadratmetern richtete sich jede Familie auf einem verlassenen Grundstück ein. Die Besetzung des rund tausend Hektar großen Besitzes im Departement Itapúa war nicht nur eine Verzweiflungstat, sie war auch rechtens. Denn Verfassung und Gesetze des südamerikanischen Landes fordern Enteignungen, wenn der Boden brachliegt. Es müsse nur ein »soziales Interesse« bestehen, heißt es in Artikel 109 der Verfassung. Und das Interesse könnte nirgends größer sein als in Paraguay. Nur ein Prozent der Landeigentümer herrscht dort über 77 Prozent des Bodens, 40 Prozent der Landarbeiter müssen mit einem Prozent auskommen. Als die 120 Familien die Siedlung Palmital gründeten, fühlten sie sich daher sicher. Der Staat stand in der Pflicht, sie zu schützen. Doch dann kam alles anders.

Obwohl das staatliche Institut für Ländliche Wohlfahrt die Übergabe des Grundstücks an die landlosen Familien befürwortet hatte, erteilte der Senat dem Antrag eine Absage. Die Familien wurden mehrfach vertrieben, ihre Hütten niedergebrannt, die »Anführer« verhaftet. Grund für die Repression waren die Besitzverhältnisse: Der Eigner war ein Deutscher. Und 1993 wurde ein Vertrag zwischen Berlin und Asunción »zum gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen« unterzeichnet. Mit Verweis auf dieses Investitionsschutzabkommen erteilte der Senat des Zweikammerparlamentes nicht nur der Enteignung der Ländereien in Itapúa eine Absage und veranlasste, die Besetzer zu vertreiben. Gegen den Widerstand der Abgeordnetenkammer verhinderte er auch andere Landverteilungen, von denen deutsche Junker betroffen gewesen wären.

Der Fall wird in einer Studie beschrieben, die von den deutschen Entwicklungshilfeorganisationen FIAN, Brot für die Welt, Misereor und EED in Paraguay in Auftrag gegeben wurde. Bei der Lektüre wird schnell klar, dass Palmital keine Ausnahme ist. Seit Jahren greift die deutsche Botschaft in Asunción offenbar konsequent ein, wenn Deutsche von Bodenenteignungen bedroht sind. Dabei hätten auch Bundesbürger das Land »aus Spekulationsgründen gekauft und lassen es brachliegen«, heißt es in der Untersuchung.

Werden Bodenspekulationen zu Lasten der Bevölkerungsmehrheit durch ein modernes Investitionsschutzabkommen verteidigt? In einem Schreiben an den Präsidenten des Senats zeigten sich die Berliner Diplomaten bereits im Oktober 2000, zwei Jahre nach Inkrafttreten des bilateralen Vertrags, »sehr besorgt« über die geplante Enteignung eines weiteren Landgutes in Itapúa. 85 Familien hatten bei der Ortschaft Naranjito das Grundstück eines Deutschen besetzt. »Der Eigentümer wohnt im Ausland«, konstantiert die Studie, »er ist noch nie in der Gegend aufgetaucht und nutzt sein Land nicht, das er bereits seit 15 Jahren verlassen hat«. Die Botschaft, so hieß es in dem Schreiben von Oktober 2000 trotzdem, »wird nicht teilnahmslos bleiben können, wenn ein Investor deutscher Staatsbürgerschaft einem Enteignungsprozess unterzogen wird«. Die Drohung wirkte: Gut zwei Wochen später wurde dem Antrag auf Übertragung der Ländereien eine Absage erteilt.

Auf Nachfrage beschrieb FIAN-Mitarbeiter Roman Herre die Folgen: Als vor wenigen Jahren Familien der indigenen Gemeinschaft Sawhoyamaxa im Departement Chaco vom Land eines Deutschen vertrieben wurden, habe es Todesopfer gegeben. »Damals starben mehrere Kinder an der Belastung und armutsbedingten Krankheiten«, sagte Herre. Dies habe auch zu einer Verurteilung durch den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt, die bis heute von Berlin und Asunción ignoriert wird. Im Fall Palmital hingegen sei es doch noch zu einer gütlichen Regelung gekommen, »allerdings erst, nachdem dem Besitzer ein Vielfaches seines ursprünglichen Landes als Entschädigung zur Verfügung gestellt wurde«.

Ende vergangener Woche führten FIAN-Vertreter und die paraguayischen Autoren der Studie Gespräche im Wirtschafts- und Außenministerium in Berlin. Sie seien »verhalten positiv« verlaufen, sagt Herre. Auf Nachfrage am Dienstag kündigte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes Gespräche mit der Botschaft in Asunción an.

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